DIE WEINZEIT STORY

INTERVIEW MIT IRMGARD BICKEL, Gründerin und Seele von Weinzeit.

Von Schwerkraft und Schmetterlingen


Irmgard, Biowein - das ist deine große Leidenschaft. Warum ist das so?
Da gibt es gleich mehrere Gründe. Ich möchte aber beim Geschmack beginnen, denn Wein ist ja ein Genussmittel, er muss schmecken - und das tut guter Biowein - ganz hervorragend sogar!Bioweine sind nicht so reduktiv, d.h. sie haben mehr Frucht in der Nase als konventionell hergestellte Weine, sie verführen in der Nase und am Gaumen viel mehr. Und das ist nicht zufällig so, sondern ganz logisch: Durch die biodynamischen Methoden im Weingarten werden die Rebstöcke viel gesünder und vitaler, was natürlich gesündere Trauben ergibt. Mit gesunden Trauben muss man im Keller nicht chemisch und technisch eingreifen. Es kann ein „Naturwein“ ohne Zusätze entstehen. Unverfälschter, authentischer Wein mit regionaltypischem Charakter.

Und was spricht sonst noch für Biowein? Macht er die Welt besser?
Ja, das tut er definitiv! Konventioneller Weinbau ist ja eigentlich eine intensive Monokultur, die die Landschaft prägt und verändert, und das nicht nur im Guten. Zur Monokultur gehört Chemie.Darum braucht es noch mehr biozertifizierte, handwerklich arbeitende Winzer, die schon deshalb keine Herbizide und Fungizide verwenden, weil sie selber im Weingarten arbeiten und ihren Kindern gesunde Weinberge übergeben möchten: Sie begreifen ihre Weinberge als Ökotop, dadurch ist es selbstverständlich, eine lebendige Boden- und Rebenbewirtschaftung zu machen. Keine chemischen Spritz- und Düngemittel im Weinberg, das bedeutet Artenvielfalt (Pflanzen und Insekten), Gewässer- und Landschaftsschutz (Trinkwasser), Schutz vor Bodenerosion und Verdichtung. Im Vordergrund steht die Biodiversität im Weingarten. Oft kann man den Bioweingarten auf den ersten Blick erkennen: Schmetterlinge mögen keine Pestizide; - wenn es in einem Weinberg viele Falter gibt, dann ist das schon einmal ein gutes Indiz für eine biologische Bewirtschaftung. Auch im Biowein-Keller wird nur das getan, was notwendig ist. Spontanvergären und ein Minimum an Schwefel, der Wein erhält genügend Zeit zum Reifen, Ressourcen werden geschont durch einen niedrigen Energie- und Wasserverbrauch Durch eine intelligente Begrünung und Humuswirschaft entsteht ein lockerer lebendiger Boden. Was wiederum bedeutet, dass er genügend Wasser speichert ( keine Bewässerung) und weniger mechanische Bodenbearbeitung notwendig ist. Die Trick- und Chemiekiste wird nicht geöffnet. Außerdem achten Biowinzerinnen und -winzer auf nachhaltige Verpackung und Transportwege.

Wie bist du überhaupt auf das Thema Biowein gekommen?
Durch meine Leidenschaft für gutes Essen! Auf einer Genuss-Reise nach Frankreich hab ich einen Biowinzer kennengelernt und war sehr angetan von seiner Philosophie und der sehr hohen Weinqualität. Er hat sich sehr viel Zeit genommen, mir seine biodynamische Arbeitsweise näher zu bringen. Bei der Verkostung seiner Weine hat er mir den letzten Schubs gegeben. Ich bin zurückgekommen und wusste, dass ich Bioweinhändlerin werde!!Mein Ziel war dabei immer, keine seelen- und namenlosen Weine zu verkaufen. Die Winzer und ihr Bio–Handwerkswissen sind genauso wichtig. Sie leisten sehr viel für eine gesunde, vielfältige Kulturlandschaft in ihren Regionen.

Welchen Wein trinkst du persönlich denn am liebsten …

an einem lauen Sommerabend am Bodensee?
Den Riesling Buntsandstein von Alexander Pflüger – er begleitet die wunderbaren Sonnenuntergänge. …

zu einem guten Buch am Kachelofen?
Den Faugères Amour von Denis Feigel, er stellt sich nicht selbst in den Vordergrund, sondern passt sich den Situationen an.…

wenn etwas Großes gefeiert werden soll, für besondere Anlässe also?
Den Tour des Gendres „Moulin des Dames” blanc, ein Weinjuwel mit Tiefgründigkeit und viel Komplexität. Phänomenaler Abgang und lang nachklingend. Ein Kultwein für alle Fans großer nobler weißer Burgunder.

Und zu welchem Essen trinkst du lieber Bier?
Zum köstlichen Schinken-Käsetoast im Cuenstler (Bar in Bregenz). Was sagst du jemandem, der behauptet „Ich mag Wein nicht“? Das muss ich wohl akzeptieren. Aber vielleicht hat sie oder er ja unsere Weine noch nicht probiert. Denn gerade für Einsteiger sind einige unserer Weine ein unerwartet rundes, schönes Trinkerlebnis.

Nach welchen Kriterien stellst du das weinzeit-Sortiment zusammen?
Die Weine müssen einen tollen Trinkfluss haben. Sauber, harmonisch und ausbalanciert. Die Handschrift des Winzers sollte erkennbar sein. Sie sollten regionaltypischen Charakter haben. Preis & Qualität sind sehr wichtig. Marketingweine interessieren mich nicht !Beste biologische handwerkliche Arbeit im Weingarten und Keller sollte Standard sein. Ich möchte meinen Kunden viele tolle Geschmackserlebnisse ermöglichen, und da gehören für mich schon auch andere Weinländer mit ihren tollen Weinen dazu. Also über den Tellerrand schauen !!!

Direkt einkaufen bei den Winzern ist selbstverständlich.Weineinkauf über eine Agentur ist tabu… Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Winzern ist Grundvoraussetzung.Wir telefonieren oder treffen uns auch regelmäßig.Jährliches Probieren beim Jahrgangswechsel ist ein Muss. Das garantiert eine hohe Qualität. Ein „guter Winzer“ hat auch in schlechten Jahren seine Weinqualität im Griff.

Irmgard, hast du einen All-time-favourite-Wein?
Mehrere : den Roten Veltliner oder den Weißburgunder vom Quarzitund Lignum negreSie alle sind tolle authentische Weine, die viel Freude machen. Man merkt ihnen die Handschrift des Winzers und den regionaltypischen Charakter an.

Welche Art von Kunden schätzt du?
Die sich gerne auf neue Geschmäcker einlassen, die bereit sind, über den Tellerrand zu schauen und mit mir eine Weinreise durch Europa machen wollen.

Wie findest du heraus, was ein Kunde sucht?
Indem ich frage, was er für ein Essen plant und was der Wein alles können muss. Ist er für den Alltag oder eher für besondere Stunden oder für ein Fest mit Freunden?

Was ist - deinem Empfinden nach - der außergewöhnlichste Wein - im aktuellen Weinzeit-Sortiment und warum?
Wem / wozu würdest du ihn empfehlen?

Den „Moulin des Dames“blanc von Luc de Conti. Ein „Naturwein“ wie man ihn selten findet. 70 Jahre alte Rebstöcke, händische Ernte ( 2 kg / Stock ), im Keller Spontanvergärung und händische Pigeage, Ausbau im österreichischen Holzfass. Abfüllung mit Schwerkraft. Wunderbarer dichter, vielschichtiger Weißwein, der herrlich zu geschmortem Zitronenkalbfleisch passt.Meine Empfehlung: einfach ein paar Tage lang probieren, dann wird das Trinkerlebnis einmalig. Der Wein öffnet sich jeden Tag noch mehr.